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Anhörung des designierten Kommissars Günther Oettinger

Der heiße Stuhl blieb kalt

Bevor das Europaparlament über die neue EU-Kommission abstimmt, nimmt es alle Kandidaten ins Kreuzverhör. Gestern war der designierte Energiekommissar Günther Oettinger an der Reihe. Der CDU-Politiker bestand die Prüfung mit Bravour.

Eine gesunde Gesichtsfarbe hat er, als er den Anna Lindh-Saal im Europaparlament verlässt. Leicht gerötet die Wangen, etwas Schweiß auf der Stirn. Günther Oettinger ist geschlaucht, aber glücklich. Drei Stunden Anhörung liegen hinter ihm. Es sei, merkt er hernach an, weniger schlimm gewesen als man ihm zuvor avisierte. Er habe sich durchaus „inmitten der Fragen gefühlt“. Das bedeutet wohl, dass ihn nichts wirklich überrascht hat, was die rund zweihundert Mitglieder und Vize-Mitglieder des Industrieausschusses von ihm wissen wollten.

27 Kommissare müssen die Prozedur überstehen. Oettinger war die Nummer 18. Die Parlamentarier konnten sich also ein Bild machen, vergleichen. Der Anwärter aus Baden-Württemberg wird auf eine Stufe gestellt mit „alten Hasen“ im Kommissars-Job. Eine solche Professionalität könne man sich nicht allein durch Aktenstudium aneignen, sagt der langjährige EU-Parlamentarier Rainer Wieland. Seine Kollegin Elisabeth Jeggle sinniert darüber, wie es wohl wäre, wenn in Deutschland jeder künftige Minister eine solche Bewährungsprobe bestehen müsste. Es sind beileibe nicht nur die Parteifreunde Oettingers, die in anerkennendes Nicken verfallen. Die Meinung auf den Fluren des EU-Parlaments ist einhellig: Hut ab! Der dänische Liberale Jens Rohde fühlte sich gar an ein „Schwarzpisten-Ski-As“ erinnert, der am Kinderhügel unterwegs sei. Er habe viele Anhörungen mitgemacht. Andere Kommissare präparierten sich mit Packen von Unterlagen. Oettinger aber habe nur zwei Zettel dabei gehabt. Schon so etwas schafft Respekt. Auch der Lette Karins erzählt, dass er Oettinger Anfang Dezember in Berlin getroffen habe. „Unglaublich der Wissenszuwachs.“  

Günther Oettinger war am Morgen pünktlich um neun Uhr gut gelaunt erschienen. Die rote Streifen-Krawatte passte zum dunklen Anzug. Am Abend zuvor hatte sich Günther Oettinger früh auf sein Zimmer in der Landesvertretung an der Rue Belliard zurückgezogen. Dort fanden sich Berge von Akten, Papiere, Infos. Am Dienstag war er spätnachts in Brüssel angekommen, hatte wenig geschlafen. Mit seinem künftigen Kabinettschef Michael Köhler saß er den ganzen Mittwoch beisammen.

Und während Oettinger noch die möglichen Themen ventilierte, plauderte EU-Kommissar Günter Verheugen zwei Etagen darunter auf einer seiner letzten politischen Veranstaltungen. Die FDP-„Auslandsgruppe Europa“ hatte eingeladen. Was einen guten Kommissar ausmache? Verheugen weiß die Antwort. Er müsse diplomatisch sein, kompromissbereit, konsensfähig und sensibel für Probleme anderer. „Mit Basta geht hier nichts.“

Und genau so präsentierte sich Oettinger vor dem EU-Ausschuss. „Wir sollten sensibel ausloten, wo die rechtlichen Grenzen und die Grenzen der Akzeptanz in politischer Hinsicht sind“, eröffnete er den Frage- und Antwort-Reigen. Oettinger biederte sich nicht mit englischen oder französischen Begrüßungsfloskeln an wie andere Kandidaten. Er sprach Deutsch, was ankam. Energiemix, Leitungsnetze, Energieeffizienz, Nabucco-Pipeline, Northstream – die Themen seines künftigen „Dossiers“ hatte er parat. Der EU-Abgeordnete Werner Langen, ein früherer Oettinger-Kritiker, wirkte geradezu euphorisiert: „Ich bin sehr zufrieden, wie gut Sie vorbereitet sind“. Am Ende waren alle beruhigt: Der Lette, weil der deutsche Energiekommissar deren Skepsis gegenüber Russland erkannt hatte; Die Österreicher, weil der Neue nicht als Atom-Missionar auftrat; Die Grünen, weil er versprach, die Instrumente zur Erreichung des Klimaschutzziels im Einvernehmen mit dem Parlament zu prüfen; Die Polen, weil Oettinger Alternativ-Pipelines im kaspischen Bereich in Aussicht stellte; Die Sozialdemokraten, weil er die spitze Frage der schwedischen Abgeordneten Marita Ulvskog zum „Thinktank“ Weikersheim sachlich retournierte mit dem Hinweis auf seinen „Amtsvorgänger“.

Oettinger zeigte sich schlagfertig, als ihm Claude Turmes, der Grüne aus Luxemburg, Industrienähe vorwarf, weil er – die SPD hatte die Kollegen bestens gebrieft – mit RWE-Vorstand Jürgen Großmann Skat gespielt hatte. Das sei ein Benefizturnier zugunsten der Kinderlandstiftung Baden-Württemberg gewesen, klärte der Kommissarskandidat lustvoll auf. Großmann könne ordentlich spielen und habe verloren. Das sei gut für die Kasse gewesen. Damit hatte Oettinger die Lacher auf seiner Seite.

Nach drei Stunden Frage und Antwort war gewiss: Ein heißer Stuhl wurde es für Günther Oettinger nicht. Er bat um „Vertrauensvorschuss“, er wurde gerne gewährt. Ein kurzes Treffen mit Verheugen vor der Abreise nach Stuttgart. Der SPD-Mann wollte ihm ein letztes Mal „points to watch“ nennen, also mögliche Stolperfallen. Kriegsentscheidend war das für Oettinger nicht mehr. In wenigen Wochen wird er Energiekommissar der Europäischen Union sein.

Quelle: http://www.suedkurier.de/news/brennpunkte/politik/art410924,4123242

 

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