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Karlsruher Urteil: Eine Entscheidung für ein Europa der Bürger!
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 30. Juni 2009 den Weg für den Vertrag von Lissabon freigemacht. Das Karlsruher Gericht hat den Vertrag von Lissabon auch in vollem Umfang für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Zu meiner großen Überraschung wurde das deutsche Begleitgesetz für verfassungswidrig erklärt. Schnellstens muss nun der Deutsche Bundestag entsprechend den Forderungen des Verfassungsgerichts in den nächsten Wochen, also vor Ende der Legislaturperiode, eine grundgesetzkonforme Änderung des deutschen Begleitgesetzes beschließen.
Der Vorbehalt der nationalen Parlamente ist unter dem Stichwort der Achtung der Subsidiarität im Lissaboner Vertragswerk vorgesehen. Wir als Europäisches Parlament haben bereits in der Verhandlungsphase zum Lissabonvertrag eine stärkere und frühzeitigere Einbindung der nationalen Parlamente in den europäischen Gesetzgebungsprozess eingefordert. Deshalb sieht der Lissabonner Vertrag ausdrücklich ein Subsidiaritätsprüfungsrecht der nationalen Ebene, einschließlich der deutschen Länderparlamente, vor. Darüber hinaus begrüße ich die Kontrollbefugnis des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich. Damit bleibt neben der demokratischen Kontrolle durch die Parlamente die verfassungsrechtliche Kontrolle gewahrt.
Die Europäische Union ist kein Bundesstaat. Auch das bestätigt das Karlsruher Urteil. Für die Übertragung von Kompetenzen waren schon bisher und sind nach wie vor die Mitgliedstaaten zuständig. Durch das Karlsruher Urteil werden der Bundestag und der Bundesrat in die Pflicht genommen, EU-Gesetze frühzeitiger und effizienter zu diskutieren, insbesondere wenn es um die Übertragung von Verantwortung von der nationalen auf die europäische Ebene geht. Dies habe ich schon lange gefordert. Schließlich kann es nicht sein, dass die Regierung oder gar einzelne Minister Kompetenzen auf die europäische Ebene übertragen, ohne die vorherige Zustimmung der vom Volk gewählten nationalen Abgeordneten einzuholen. Die Ausrede "Das haben die in Brüssel gemacht" wird dann, Gott sei Dank, nicht mehr funktionieren. Es ist nun hochoffiziell auch Aufgabe der nationalen Parlamente, ebenso wie des Bundesrates, Europa den Bürgern näher zu bringen. Ich bin überzeugt, dass dieses immer geforderte Zusammenwirken von unten nach oben durch dieses Urteil nun Wirklichkeit werden kann und wir so ein ausgeprägteres Bewusstsein und Interesse der Bürger für Europa erreichen können.
Aufgrund dieser Entwicklung hoffe ich, dass auch die Medien zukünftig noch intensiver von europäischen Themen berichten werden. Die Begleitung von EU-Gesetzen muss von der Entstehung bis zur Umsetzung realisiert werden, nicht nur um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, sondern auch, um deutsche Interessen besser einbringen und durchsetzen zu können. Das Urteil der Richter, dessen Umsetzung zu einer Verbesserung der Legitimation von Entscheidungen auf der EU-Ebene führen wird, ist damit nicht nur ein Bekenntnis zur europäischen Einigung, sondern auch zur deutschen Demokratie.
Durch die uneingeschränkte Zustimmung zum Vertrag von Lissabon seitens der Richter wird einmal mehr deutlich, dass ohne diesen Vertrag Europa nicht mehr vorstellbar ist. Der Vertrag von Lissabon macht die Europäische Union demokratischer, transparenter und effizienter. Die Grundrechtecharta wird rechtsverbindlich, wodurch jeder Bürger der Europäischen Union künftig seine elementaren Rechte, wie beispielsweise das Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit, auch vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen kann.
Das Europäische Parlament, die einzig direkt gewählte europäische Institution, gehört zu den großen Gewinnern des Vertrags von Lissabon. Mit diesem Vertrag werden die Rechte des Europäischen Parlaments aufgewertet. Es agiert dann in nahezu allen Gesetzgebungsprozessen auf Augenhöhe mit dem Ministerrat.
In diesem Sinne freue ich mich auf die bevorstehende Arbeit in den nächsten 5 Jahren und bin überzeugt, dass das Karlsruher Urteil nicht nur ein Bekenntnis zur Europäischen Union, sondern auch eine Entscheidung für ein Europa der Bürger ist!
April 2014
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