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Leid und Nutzen abwägen

Europäisches Parlament und Ministerrat einigen sich auf neues Gesetz – Tierschützer melden Kritik an

In der EU sollen Tierversuche künftig höheren ethischen Ansprüchen unterliegen. Das derzeitige Gesetz stammt aus dem Jahr 1986. In wenigen Monaten könnte der Text der neuen Richtlinie stehen.

Jedes Jahr müssen zwölf Millionen Tiere in der EU für Fortschritte in der Medizin und Grundlagenforschung ihr Leben lassen. Nun haben sich das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat auf strengere Regeln geeinigt, um die Anzahl der Tierversuche zu senken.

"Das ist ein Durchbruch für den Schutz der Labortiere", sagt die Europa-Abgeordnete Elisabeth Jeggle (CDU) aus Baden-Württemberg, die federführend für die Überarbeitung des EU-Gesetzes aus dem Jahr 1986 zuständig ist. Das bisherige Gesetz sieht nicht vor, dass Experimente ethisch überprüft werden, dass also abgewogen wird zwischen dem Leid der Tiere und dem zu erwartenden Nutzen eines Tests für die Erforschung einer schweren Krankheit wie etwa Alzheimer.

Auch gibt es keine europaweite Pflicht, Experimente nachträglich auf ihren Nutzen zu überprüfen. So haben die 27 Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards bei Genehmigung und Überwachung. "Künftig müssen Experimente ethisch überprüft werden, gegebenenfalls im Nachhinein", sagt Elisabeth Jeggle.

Der Bundesverband der Tierversuchsgegner drängt Agrarministerin Ilse Aigner (CSU), bei der Ausformulierung des Gesetzes im EU-Ministerrat darauf zu achten, dass die ethische Überprüfung aufgenommen wird. Damit wären die nationalen Behörden verpflichtet, bei der Genehmigung von Experimenten neben wissenschaftlichen auch moralische Gründe zu berücksichtigen.

Die Behörden der EU-Staaten sollen regelmäßig prüfen, ob die Züchter von Labortieren und die Einrichtungen, in denen Tierversuche stattfinden, die Vorschriften einhalten. "Auch unangemeldete Kontrollen sind vorgesehen", sagt Jeggle.

Inhaltsstoffe von Kosmetika an Tieren zu testen, ist bereits verboten. Die Auflage, Affen, Ratten und Mäuse zu verschonen, wenn es eine Alternative gibt – etwa die Erprobung einer Zellkultur im Reagenzglas – war indes nur Empfehlung. Daraus wird nun eine Vorschrift.

Marlene Wartenberg, Direktorin des Europa-Büros der internationalen Tierschutzorganisation Vier Pfoten, ist mit den bisherigen Anstrengungen der Politik, für Ersatz-Methoden zu sorgen, nicht zufrieden: "Es könnte viel mehr geben, wenn man die Zulassungsverfahren beschleunigen würde."

Wenn Forscher ein Experiment beantragen, müssen sie schon heute angeben, welchen Belastungen ein Tier ausgesetzt wird. Tierschützer kritisieren, es sei einfach, Schmerzen herunterzuspielen. Künftig soll einheitlich klassifiziert werden, welcher Test wie viel Pein verursacht.

Der Gesetzentwurf schränkt Experimente an Menschenaffen wie Schimpansen und Versuche an weiteren Primaten wie Makaken stark ein. "Ausnahmen soll es nur geben, um schwere Krankheiten zu erforschen", sagt Elisabeth Jeggle. Für jeden Einzelfall gebe es ein strenges Genehmigungsverfahren.

Birgit Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes, dagegen meint: "Es ist erschütternd, dass Versuche an Menschenaffen nicht verboten werden sollen." Jeggle verteidigt den Entwurf. Der Tierschutz sei ein hohes Gut. "Ihm ist aber nicht gedient, wenn wir zu restriktiv sind und Forschung und Industrie ins außereuropäische Ausland gehen." Es sei notwendig, den Kampf gegen schwere Krankheiten weiterhin zu ermöglichen.

Der Ministerrat und das Parlament müssen sich noch auf den endgültigen Gesetzestext einigen. Das könnte im Frühjahr soweit sein. Anschließend muss die neugefasste Richtlinie von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.

Braunschweiger Tierschützer begrüßen das Vorhaben. "Wir sind positiv überrascht. Tierschutz kommt bei der EU viel zu selten auf den Tisch", sagt Sven Schnäker, Verwaltungsleiter des Braunschweiger Tierheims, das dem Tierschutzverein angegliedert ist. "Ein weiteres Problem, was uns sehr am Herzen liegt, sind Tiertransporte. Die sind seit langer Zeit ein Politikum. Wir hoffen, dass sich dort auch bald etwas tut."

Quelle: Artikel von Volker Röpke auf http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/11760549 (25. Februar 2010)  



 
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