News

Schaulaufen für Europa

Günther Oettinger präpariert sich für seinen Wechsel nach Brüssel. Im Februar soll er EU-Kommissar werden. Bis dahin muss sich der baden-württembergische Ministerpräsident in einer Doppelrolle tummeln.

Gestern Morgen war er ganz Ministerpräsident und verfolgte im Landtag die Debatte über die Situation an den Hochschulen und die Studentenproteste. Gegen Mittag jedoch bestieg der CDU-Mann Oettinger seinen Dienstwagen, rauschte auf der Autobahn durch den Schwarzwald nach Straßburg und schlüpfte in seine zweite Rolle: Er machte dem in der elsässischen Metropole tagenden Europaparlament seine Aufwartung. In einem Saal im dritten Stock des markanten Parlamentsbaus an der Ill präsentierte er sich dabei insbesondere den 42 Europaabgeordneten der CDU/CSU. Von den beiden Sprechern der deutschen Gruppe, dem Pfälzer Werner Langen (CDU) und dem Augsburger Markus Ferber (CSU) in die Mitte genommen, zeigte sich Oettinger dabei selbstbewusst, was den Anspruch auf ein gewichtiges Ressort im Kommissarskollegium angeht: "Es liegt nahe, dass ein ökonomisch in der EU führendes Land eine Aufgabe im Bereich der Wirtschaftspolitik übernimmt."

Er habe sich gut präpariert gezeigt und eine überzeugende Vorstellung abgeliefert, lobte anschließend die Biberacher CDU-Abgeordnete Elisabeth Jeggle ihren vormaligen Landesvorsitzenden. Doch ein Selbstläufer ist seine Berufung zum Kommissar deshalb noch lange nicht. Oettinger legte gestern Wert auf den Hinweis, dass er auch mit Vertretern der anderen Fraktionen zusammentraf. Nur für ein kurzes Stelldichein reichte es bei den zwölf deutschen FDP-Volksvertretern - das lag aber nicht an Oettinger, sondern an einem langen Abstimmungsmarathon im EU-Parlament.

Nachdem Kommissionschef José Manuel Barroso am Vortag mitgeteilt hatte, dass die Namen der 25 Kommissionsanwärter aus den EU-Mitgliedsländern nun feststehen, war Oettinger gut beraten, den direkten Draht nach Straßburg zu suchen, das immer noch als der eigentliche Parlamentssitz gilt, auch wenn die Volksvertretung hier monatlich nur vier Tage lang zusammentrifft. Doch Brüssel, wo Oettinger bereits vor seiner Indienreise in der vergangenen Woche intensiv Kontakt suchte, gilt eher als Sitz der Kommission und des Ministerrates. Hinter den Kulissen wird jetzt unter Barrosos Federführung an der Ressortverteilung gefeilt. Dabei scheinen drei Bereiche für Oettingers künftige Tätigkeit möglich: Industriekommissar als Nachfolger Günter Verheugens (SPD), Währungskommissar oder Verantwortlicher für den Energiesektor.

Nach seiner überparteilichen Vorstellungsrunde gestern in Straßburg fliegt Oettinger heute nach Brüssel und wird wohl noch mit dem Kommissionschef zusammentreffen. Zudem muss er sich nach fähigen Mitarbeitern umschauen - EU-Kommissare dürfen in ihr Kabinett nur wenige Landsleute berufen und müssen insbesondere als Kabinettschef den Vertreter eines anderen Landes einsetzen.

Erst wenn Barroso ihm seine Vorstellungen über die Ressortverteilung eröffnet hat, kann Oettinger schließlich mit den konkreten Vorbereitungen für die Anhörung im Parlament beginnen, die die Kommissare in spe vom 11. Januar an zu absolvieren haben. Eine Prozedur, die in Europa in dieser Form einzigartig ist. In die nationalen Regierungen werden schließlich meist alte Bekannte, vorwiegend Parlamentsmitglieder, berufen. In den USA dagegen, wo der Präsident seine Regierungsmitglieder vorschlägt, sind Anhörungen der Kandidaten durch das Parlament Voraussetzung für die Berufung.

Vertraute Oettingers im Europaparlament sind nun schon dabei, ihn auf mögliche Fachfragen vorzubereiten, die von den 35 Mitgliedern des Industrieausschusses an den designierten Kommissar gestellt werden könnten - man kennt untereinander persönliche Schwerpunkte ebenso wie nationale Interessen. CDU und CSU stellen selbst drei Ausschussmitglieder.

So wird von Beobachtern hinter vorgehaltener Hand die Befürchtung geäußert, der baden-württembergische Ministerpräsident könne sich als zu "autolastig" im Hinblick auf die Ballung von Autokonzernen und Zulieferern im Mittleren Neckarraum zeigen, die bisher seine Arbeit nicht wenig beeinflusste. "Er muss zeigen, dass er europäisch zu denken versteht", rät FDP-Mann Michael Theurer, der erst im Juni ins Europaparlament gewählt wurde und vorher als stellvertretender Chef der FDP-Landtagsfraktion Oettinger nah erlebte. Doch wohl auch im Hinblick auf die Ausrutscher in seiner Zeit als Stuttgarter Regierungschef hat Oettinger Teilnehmern zufolge gestern vor seinen Parteifreunden auch schon die Einsicht gezeigt, "dass ich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich auf den Prüfstand gestellt werde".

Erschienen am 26. November 2009 in der Online-Ausgabe der Südwest Presse



 
www.eppgroup.eu www.cdu.de
Newsletter

Sie können unseren Newsletter hier abonnieren.

Infobriefe
Termine

Keine Artikel in dieser Ansicht.

Impressum   Kontakt