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Gibt es auch in Europa einen Schwenk nach Asien?
Stand der Verhandlungen zu Abkommen der Europäischen Union mit Ländern im asiatischen Raum
Im Jahr 2001 begannen die Wirtschafts- und Handelsminister der Mitgliedsstaaten der WTO (Welthandelsorganisation), multilaterale Verhandlungen über eine weitere Öffnung des Welthandels zu führen. Die Gespräche der sogenannten Doha-Runde (Entwicklungsrunde benannt nach der Hauptstadt Katars) sollen insbesondere auch die Auswirkungen der Globalisierung auf die Entwicklungsländer beachten. Bisher konnte sie aber nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Probleme wirft nicht zuletzt der Agrarsektor auf, über dessen Liberalisierung sich die Gesprächspartner noch nicht einig werden konnten. Aufgrund der festgefahrenen multilateralen Doha-Verhandlungen ist die Europäische Union vermehrt dazu übergegangen, sich um das Abschließen bilateraler Verträge über politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einzelnen Regionen zu bemühen.
Nachdem ich Ihnen in den vergangenen Monaten bereits einen Überblick über die Abkommen mit unseren Partnern in Nord-, Zentral- und Südamerika (insbesondere Kanada, Peru, Kolumbien und Mercosur) geben durfte, möchte ich Sie nun über den aktuellen Verhandlungsstand der EU-Abkommen mit den asiatischen Ländern informieren.
Der asiatische Markt ist seit einem Jahrzehnt ein wirtschaftlich äußerst erfolgreicher Raum und wird laut Prognosen auch weiterhin von starkem Wachstum seiner Volkswirtschaften geprägt sein. Mit China und Indien liegen zwei der boomenden BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) in der Region. Die Europäische Union und insbesondere Deutschland als ihr größter Exporteur hat ausgesprochenes Interesse daran, die handelspolitischen Beziehungen zu den asiatischen Staaten weiter zu vertiefen.
Die Mitgliedsstaaten der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN sind nach den Vereinigten Staaten und China der drittgrößte Handelspartner der Europäischen Union. Außerdem ist die EU bei weitem der größte Investor in den ASEAN-Staaten. Allerdings ist die Europäische Union nicht der einzige internationale Akteur, der gesteigertes Interesse an Asien hat. Um hier nicht zurückzubleiben, muss sicherstellt werden, dass die Beziehungen auch vertraglich gesichert sind. Aus diesem Grund sind wir bestrebt, unsere Verhandlungen zügig voranzubringen. Es wäre vorteilhaft, die Handelsbeziehungen zu den Ländern im asiatischen Raum weiter auszubauen, da deren Märkte sich mit dem europäischen Markt gut ergänzen. Während die asiatischen Länder vornehmlich Bekleidung, textile Erzeugnisse, Schuhe und landwirtschaftliche Produkte exportieren wollen, liegen die Interessen Europas und auch Deutschlands auf dem Export von Industriegütern wie elektrische Maschinen und Geräte, Flugzeuge, Fahrzeuge, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Eisen und Stahl.
Vor zwei Jahren hat die EU ein Freihandelsabkommen mit Südkorea abgeschlossen und auch die Ratifizierung des Vertrages mit Singapur läuft. Die Gespräche mit der Mongolei, Kasachstan, Afghanistan, Malaysia und Vietnam sind bereits weit fortgeschritten. Ende März sollen die Verhandlungen eines Freihandelsabkommens mit Japan beginnen. Ein Abschluss der Gespräche mit Indien scheint allerdings in weiter Ferne zu liegen. Währenddessen laufen innerhalb des asiatischen Kontinents Verhandlungen zu einer eigenen Freihandelszone, die China, Japan, Indien, Südkorea, Australien, Neuseeland und die ASEAN-Mitglieder umfassen soll. Eine solche Freihandelszone würde ein Drittel des weltweiten Exportvolumens ausmachen und 500 Millionen Verbraucher betreffen.
Als Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament verfolge ich in meiner Ausschussarbeit den Verhandlungsprozess dieser Abkommen im Detail. Für die EVP-Fraktion bin ich in der asiatischen Region für die EU-Abkommen mit Kasachstan sowie Afghanistan verantwortlich und engagiere mich darüber hinaus vertieft beim Verhandlungsprozess mit der Mongolei und Australien. Politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit sind hier eng verbunden. Gemeinsame Anstrengungen zur Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und demokratischen Prinzipien sind das Fundament, auf dem die Verhandlungen fußen müssen.
Trotz der glänzenden Wirtschaftsindikatoren vieler asiatischer Länder darf man nicht außer Acht lassen, dass diese Hochkonjunktur nicht ausschließlich positive Auswirkungen hat. So mangelt es zum Beispiel an hohen und nachhaltigen Sozial- und Produktionsstandards und der Wohlstand ist nicht immer gerecht verteilt. Bei den Verhandlungen der EU mit asiatischen Staaten gibt es nicht selten Schwierigkeiten bei der Einigung auf eben diese Standards und Kriterien.
In meiner Funktion als Ausschussmitglied für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ist es mir besonders wichtig, dass die hohen europäischen Produktionsstandards durchgesetzt werden, um unsere heimischen Erzeuger und Verbraucher zu schützen. Ebenfalls ist mir die Einhaltung der Sozial- und Arbeitgeberrechtsstandards ungemein wichtig.
Zusammenspiel der EU-Institutionen bei internationalen Abkommen
Lassen Sie mich kurz umreißen, wie die Verhandlungen der EU mit Drittstaaten innerhalb der europäischen Institutionen organisiert sind. Der Rat der Europäischen Union, also die Mitgliedsstaaten, initiiert ein Abkommen zwischen der EU und einem Land außerhalb unserer Grenzen, indem er der Europäischen Kommission ein Verhandlungsmandat erteilt. Die Europäische Kommission verhandelt dann in Kooperation mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) die entsprechenden Abkommen stellvertretend für die Europäische Union, sie arbeiten dabei aber eng mit dem Rat und dem Europäischen Parlament zusammen. In verschiedenen Verhandlungsrunden zwischen der Kommission/EAD und dem Verhandlungspartner werden die Art des Abkommens und wichtige Bestandteile festgelegt.
Während der Verhandlungen werden der Rat und das Parlament regelmäßig informiert und können Inhalte beeinflussen sowie Schwerpunkte setzen. Wenn die Verhandlungen der Kommission/EAD beendet sind, wird die Vereinbarung vom Rat und der Regierung des Drittstaates unterzeichnet. Das Europäische Parlament muss dem Abkommen zustimmen und auch die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten müssen es ratifizieren. Im Anschluss kann das Abkommen in Kraft treten.
Als Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament verfolge ich in meiner Ausschussarbeit diese Abkommen. Innerhalb der EVP-Fraktion bin ich für die EU-Abkommen mit Kasachstan sowie Afghanistan verantwortlich und engagiere mich darüber hinaus vertieft beim Verhandlungsprozess mit der Mongolei und Australien.
Die unterschiedlichen Arten von Abkommen im asiatischen Raum
Ein politisches Rahmenabkommen ist ein allgemeiner Vertrag, der die vertiefte politische Zusammenarbeit der Staaten festlegt. Inhalte können grenzüberschreitende Sicherheit, Terrorismus-Bekämpfung, Migration, Umwelt etc. sein. Dieses politische Rahmenabkommen schließt oft auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ein.
Ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen legt Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Wirtschaft fest, aber auch politische Kapitel wie beispielsweise justizielle Zusammenarbeit, gemeinsame Kulturprojekte und demokratische Entwicklung werden abgesprochen.
Ein Freihandelsabkommen hingegen ist ein reines Wirtschaftsabkommen über freien Waren- und Dienstleistungsverkehr.
Aktueller Stand der Verhandlungen der EU mit Ländern im asiatischen Raum
Im Folgenden habe ich Ihnen einen schematischen Überblick über den Verhandlungsstand der EU-Abkommen mit Staaten in Asien zusammengestellt.
Afghanistan
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war Anfang 2012
- Im November 2012 war die letzte Verhandlungsrunde, der Abschluss ist vor dem Sommer geplant.
Brunei (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2012
Indonesien (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Abschluss 2009
- Ratifizierungsprozess läuft: 22 Mitgliedsstaaten haben bereits ratifiziert, Zustimmung des EP steht noch aus
- Abkommen soll noch 2013 in Kraft treten
Kasachstan
- vertieftes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war Juni 2011
- Abschluss wird noch 2013 erwartet
Mongolei
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2010
- erwarteter Abschluss im Sommer 2013
Neuseeland
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war im Juli 2012
- Nächste Verhandlungsrunde wird im März 2013 stattfinden
Philippinen (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2007
- unterzeichnet im Juli 2012
- bisher haben 3 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert
Thailand (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- wurde 2013 unterzeichnet
- Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen aufgenommen
Australien
- politisches Rahmenabkommen
- Start der Verhandlungen war 2012
- Verhandlungen sind bereits weit fortgeschritten
Indien
- Freihandelsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2007
- seit dem EU-Indien Gipfel im Februar 2012 wird wieder intensiver verhandelt
Japan
- Freihandelsabkommen
- Start der Verhandlungen war März 2013
Malaysia (ASEAN Mitgliedsstaat)
- Freihandelsabkommen und Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2010
- bisher fanden 8 Verhandlungsrunden statt
Singapur (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Freihandelsabkommen, Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2004
- Unterzeichnung des Freihandelsabkommens im Dezember 2012
Südkorea
- Freihandelsabkommen
- Start der Verhandlungen war 2007
- Unterzeichnung eines Freihandelsabkommen im Juli 2011 teilweise ausgenommen: Agrarprodukte brachte den EU-Firmen bereits eine Ersparnis von 350 Mio. €
Vietnam (ASEAN-Mitgliedsstaat)
- Partnerschafts- und Kooperationsabkommen - Unterzeichnung im Juni 2012
- Bisher haben 3 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert
- Interesse an politischem Kooperationsabkommen besteht
- Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen wurden 2012 aufgenommen
April 2014
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